Der „Mind Hacker“ Norman Alexander präsentierte unlängst die 10 Warnsymptome einer Lüge. Mit diesen typischen körpersprachlichen Signalen könne man zielsicher Lügen erkennen und entlarven. Lassen sich diese wissenschaftlichen Warnsymptome eins zu eins auf den Pokertisch übertragen? Können wir damit also Bluffs entlarven?

Ganz so einfach ist es dann leider doch nicht…

Natürlich spielen die von Norman erwähnten Körpersignale unter anderem auch bei Vernehmungen, Verhören und Befragungen eine Rolle. Aus meiner beruflichen Erfahrung aus der täglichen Polizeiarbeit sind mir diese Punkte vertraut.

Das Allerwichtigste aber und damit die Grundvoraussetzung der Entlarvung einer Lüge oder eines Bluffs ist es, die jeweilige Wahrnehmung eines Körpersignals in den entsprechenden Kontext zu setzen und alle möglichen Umstände einer Reaktion meines Gegenübers in Betracht zu ziehen.
Wie Norman ganz richtig bei seinem ersten Anzeichen – dem Schweiß – erklärt, kann es für plötzliches Schwitzen völlig andere Erklärungen geben, als eine Lüge meines Gegenüber.

Daher ist es vielleicht hilfreich, die 10 Warnsignale einmal zu analysieren und zu prüfen, ob und wie uns das Ganze am Pokertisch helfen könnte:

1. Schweiß: Der Grund für plötzliches Schwitzen ist, abgesehen von Raumtemperatur oder plötzlich auftretenden hormonell bedingten Hitzewallungen, ein situationsbedingter Stressmoment. Der Auslöser dafür kann u.a. Aufregung, Nervosität oder Angst sein. Dadurch wird das vegetative Nervensystem aktiviert und man schwitzt. Aufregung oder Nervosität können auch positiven Ursprungs sein und so gilt es also den mutmaßlichen Stressmoment zu analysieren und zu bewerten. Gefällt dem Gegenüber die aufgedeckte Karte, der Call oder die 3Bet? Oder handelt es sich um negativen Stress?
2. Erröten: Plötzliches Erröten am Pokertisch kann durch Wut oder Ärger ausgelöst werden, aber auch dadurch, dass unser Gegner aus irgendeinem Grund peinlich berührt ist. Die Ursache kann also ein sehr glücklicher Treffer sein, obwohl der Spielverlauf das gar nicht hergegeben hätte.
3. Trockener Mund: Wie Norman treffend erklärt, wird bei Stress und Nervosität der Speichelfluss reduziert. Heftiges Schlucken und ein kurzes Hervorschnellen der Zunge, welche die Lippen befeuchtet, deuten am Pokertisch also sehr häufig auf Schwäche hin. Aber Achtung: Öffnet sich der Mund ein Stück weit und die Zunge ist zu sehen, deutet das eher darauf hin, dass die Situation dem Gegner “schmeckt”, er also recht stark unterwegs sein dürfte.
4. Erhöhter Puls: Ein erhöhter Pulsschlag eines Spielers am Pokertisch allein sagt noch nichts über die gegnerische Stärke oder Schwäche aus, genau wie zitternde Hände sowohl einen Bluff oder aber ein Monster „verkünden“ können. Fakt ist nur, dass der Spieler aufgrund der Spielsituation unter Stress steht. Ob dieser positiv oder negativ ist, sagt der erhöhte Pulsschlag nicht aus. Man muss also das Image des Spielers mit berücksichtigen und bei Showdowns genau darauf achten, in welchem Zusammenhang der erhöhte Puls steht.
5. Atemnot: Beobachten kann man das plötzliche kurze Stocken der Atmung am Pokertisch aufgrund einer Aktion, sei es nach einer aufgedeckten „gefährlichen“ Karte oder einer unerwarteten Wette, 3Bet…usw. Wenn Spieler heftig am “pumpen” sind, also sichtbar schwer ein-und ausatmen kann das, wie beim Pulsschlag sowohl Schwäche als auch Stärke bedeuten. Auch hier gilt es den Auslöser der Situation auszumachen und zu beobachten, was die Ursachen dafür bei dem konkreten Spieler sind.
6. Vermeidung Blickkontakt: Einige Spieler legen es auf sogenannte “Staredowns” an. Mike “Timex” McDonald ist wohl eines der Paradebeispiele dafür. Und es gibt welche, die jeden Blickkontakt während der Hand vermeiden und nur auf einen fixen Punkt am Tisch starren. Auch das ist sehr individuell und es muss erst ein eventuelles Muster ausgemacht werden, um es als „Tell“ nutzen zu könne. Es kann sein, dass mein Gegner mich absichtlich anstarrt um Stärke vorzutäuschen oder das Board, um sich nicht zu verraten. Echte Unsicherheit wird man aber mit geübtem Auge schnell ausmachen, genauso wie „die Bombe“ beim Gegner.
7. Stimmlage: Was die Stimmlage angeht achte ich weniger darauf, was redselige Spieler so von sich geben, ob sie laut oder leise sind. Gute Spieler können hier absichtlich variieren und manipulieren. Vielmehr interessieren mich Spieler, die gelegentlich Einsätze, Erhöhungen usw. ansagen und dann wieder nicht, beziehungsweise bei diesen Ansagen die Stimmlage. Hier lassen sich oft ein Zittern in der Stimme oder andere Muster feststellen.
8. Lächeln: Ein echtes Lächeln kann nicht gefaked werden, daher ist das eines der zuverlässigsten Anzeichen überhaupt, den tatsächlichen Gemütszustand meines Gegenüber festzustellen. Ganz wichtig dabei: Die Augen müssen “mitlachen”. Bei einem falschen Lachen spielt sich der wesentliche Teil um die Mundpartie herum ab, nicht aber im Bereich der Augen. Dabei lohnt sich ein tiefer Blick in die Augen selbst um zu erkennen, ob diese auch “mitlachen” oder ob es hier eine auffällige Diskrepanz gibt. Was genau ich meine könnt ihr hier sehen: https://www.youtube.com/watch?v=7SqlilB1w3g
9. Starrheit: Natürlich wissen die meisten Pokerspieler um die verräterische Wirkung von Körpersignalen und versuchen daher so wenig wie möglich preis zu geben, indem sie quasi zur Salzsäule erstarren. Es ist allerdings nur sehr schwer möglich sich über den Zeitraum von mehreren Minuten auf sämtliche Körperteile zu konzentrieren. Früher oder später verliert man die Körperspannung, wenn man sich zu sehr auf die Gesichtsmimik konzentriert, und umgekehrt. Man beginnt sich komplett unbewusst selbst zu beruhigen durch verräterische Gesten, die man selbst gar nicht bemerkt. Was uns dann auch direkt zu Punkt 10 führt…
10. Verräterische Körpersignale: Die sogenannten Adaptoren kann man am Pokertisch in Selbst- und Objektadaptoren kategorisieren. Beide dienen dazu, sich in Stresssituationen zu beruhigen und zwar indem man sich selbst berührt, sei es mit der Hand, den Fingern an der Stirn, der Schläfe, am Hals, am Arm, an der Nase usw. Aber auch eine kurze Berührung der Lippen mit der Zunge zählen dazu, das Berühren eines Gegenstandes wie der Bande, der Chips (falls jemand plötzlich anfängt mit den Chips zu „spielen“), auch Schmuck, Uhr usw. zählen dazu. Das Interessante daran ist, dass es den jeweiligen Akteuren zum Teil gar nicht bewusst ist, dass sie diese Gesten ausführen, zumindest was die Selbstadaptoren angeht.

Aufmerksamkeit ist alles! Wer nicht genau hinsieht, beobachtet und diese Informationen kategorisiert und abspeichert, weiß mit diesen Körpersignalen im entscheidenden Moment auch nichts anzufangen.

Und um es deutlich zu sagen, diese Informationen sind immer nur ein Hilfsmittel, die bei einer schwierigen Entscheidung den Ausschlag geben können.

Abschließend habe ich dann noch folgenden Geheimtipp für euch: Achtet auf sogenannte „Cluster“ – das sind körpersprachliche Muster. Mehrere Körpersignale folgen dabei innerhalb kürzester Zeit aufeinander.

Forschungen an hochrangingen Universitäten (Northeastern University, MIT und Cornell University) ergaben, dass es ein ganz bestimmtes „Cluster” aus körpersprachlichen Signalen gibt, das Lügner häufig entlarvt.

Dieses „Cluster“ besteht aus:
• Hände berühren sich gegenseitig (Hände reiben oder dergleichen)
• Hände berühren das Gesicht (zum Beispiel die Nase, die Augen, den Hals)
• Arme werden verschränkt
• Sich zurücklehnen

Wenn mindestens drei dieser vier körpersprachlichen Signale innerhalb kürzester Zeit auftreten, haben wir ein Cluster, welches mit fast absoluter Sicherheit auf eine Lüge hindeutet.

Die oben erwähnten Universitäten fanden heraus: Keine dieser Gesten ist für sich alleine ein sicheres Indiz einer Lüge, aber ZUSAMMEN sind sie ein ganz klares Anzeichen dafür.

Ich glaube sagen zu können, dass ihr genau wie ich diese Körpersignale immer wieder am Pokertisch beobachten könnt. Achtet also ab jetzt darauf, ob die einzelnen Signale in einer Spielsituation Teil einer Abfolge sind und das vorerwähnte Cluster ergeben könnten, so dass euch diese Erkenntnis in eurer Entscheidungsfindung unter Umständen helfen könnte.

In dem Sinne, Augen auf und viel Erfolg beim Bluff catchen…